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Russula ruberrima (Karminroter Weich-Täubling)

Dieser Täubling aus dem Gerchsheimer Wald (nicht aus dem Tannenwald, aus dem Mischwald davor) hat uns ganz schön lange hingehalten.


Er erinnert ein wenig an den braunen Ledertäubling (Russula integra) mit seinem kräftigen Habitus, dem (wein)rotbraunen Hut, dem dunkelgelben Sporenpulver (IVc-d nach Romagnesi) und seinem milden Geschmack – aber so recht ins integre Bild passen wollte er nicht. Also haben wir ihn erst mal als namenlose „spec.“ geführt und ihn schließlich sequenzieren lassen. Genauer gesagt: sie. Denn wir, Rudi und ich, hatten mehrere Funde von der gleichen Stelle, unter anderem vom November 2020.


Die ITS-Sequenzen kamen prompt (danke, Irja Saar!), standen aber zunächst ein wenig einsam als (immerhin distinkte) Klade in unserem phylogenetischen Baum herum. Bis ich herausfand, dass Jean-Marie Trendel im Elsass einen Täubling mit identischer Sequenz gefunden hatte. Jetzt hatten wir also schon drei von der Sorte – aber noch immer keinen rechten Namen.

Da fiel mir ein, dass unser Freund Felix Hampe mit Jean-Marie Trendel in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet hatte, und ich fragte bei ihm an, ob wir uns der Sache nicht gemeinsam annehmen wollen. Der alte Fuchs wusste natürlich gleich, wovon ich rede. Und er besaß auch die Typussequenz, die es brauchte, um unserem Pilz einen Namen geben zu können: Russula ruberrima Romagn.


Henri Romagnesi kannte selbst nur einen einzigen Fund dieser Art (unter Birke in einem Tannen-Fichten-Wald), und in der gesamten neueren Literatur finden sich nur sehr vereinzelt Spuren seiner Existenz. Mag sein, dass er extrem selten ist; denkbar ist aber auch, dass er mit anderen, sehr viel häufigeren Pilzen (z.B. eben dem braunen Ledertäubling) einfach oft verwechselt wird.

Der Karminrote Weich-Täubling gehört aber keineswegs in die Ledertäublingsverwandtschaft (also zu den Integrinae), sondern, wie Romagnesi richtig erkannt hatte, zu den Laricinae, die sich durch dottergelbes Sporenpulver, eher grauendes als gilbendes Fleisch und Mykorrhizen mit Nadelbäumen auszeichnen. Eine umfassende molekulargenetische Betrachtung der Gruppe steht noch aus. Hierher zählen z.B. der Kiefern-Weich-Täubling (R. cessans), der Lärchen-Weich-Täubling (R. laricina) und der Geriefte Weich-Täubling (R. nauseosa). Verglichen mit diesen tendenziell eher gebrechlichen Arten zeigt der Karminrote Weich-Täubling recht robuste Fruchtkörper. Die Sporen sind eher klein, rundlich, das Ornament dem Typ nach eher isoliert bis teilweise kurz verbunden. Zu seiner Ökologie wird man erst dann etwas Abschließendes sagen können, wenn deutlich mehr Funde beschrieben sind.


Also: Augen auf!

Text und Fotos: Hans-Jürgen Stahl (C) 2025